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Mystik im Fränkischen Seenland – der Goldmacher von Gunzenhausen

Johann Reichardt aus Gunzenhausen stand mit geheimnisvollen Mächten im Bund! Wie sonst hätte er mit seinem Drachenblut-Gebräu, die ungewöhnlichsten Krankheiten heilen können? Wie ist es für ihn möglich gewesen, mit Hilfe eines Zauberspiegels, Diebe und Einbrecher zu überführen? Nur ein Mensch, der mit höheren Mächten in Kontakt steht, kann Blei in Gold verwandeln. Ja, auch dazu soll der 1896 in Gunzenhausen geborene Johann Reichardt in der Lage gewesen sein.

Vieles vom dem, was dem gebürtigen Metzgersohn nachgesagt wird, bleibt im Nebel der Geschichte hängen. Über die Jahrzehnte wurde um seine Person herum mystifiziert und sicher auch vieles ausgeschmückt. Fest steht jedoch: Dieser Johann „Hans“ Reichardt war ein Sonderling – aber auch ein überaus geschätzter Heilkundler.

Johann Reichardt an seinem Schreibtisch im Jagdschloss Falkengarten. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Gunzenhausens Stadtarchivar Werner Mühlhäußer erforscht die Geschichte stets mit wissenschaftlicher Professionalität und der nötigen Nüchternheit. Doch beim Thema Johann Reichardt leuchten seine Augen und er gerät nahezu ins Schwärmen: „Reichardt war ein Marketingprofi. Er wusste genau, wie er sich zu präsentieren hatte!“ Schaut man sich Fotos des Naturheilkundlers an, sticht einem sofort ins Auge, was der Stadtarchivar meint. Reichardt sitzt in schwarzer Robe und mit schwarzer Kappe an einem schweren, hölzernen Schreibtisch, ein Totenschädel glotzt ihn dabei an. Der Raum ist schwarz ausgekleidet, auf dem Tisch und in Regalen finden sich alte, geheimnisvoll anmutende Bücher.

 

So empfing der Meister der Selbstdarstellung seine Kundschaft im markgräflichen Jagdschloss – dem heutigen „Haus des Gastes“ – im Falkengarten. Allein der Anblick des geheimnisvollen Mannes ließ viele Menschen schaudern. Doch sie hatten offenbar Vertrauen. Gunzenhäuser, die Reichardt noch kannten, bestätigen: Wenn die Schulmedizin nicht helfen konnte, ging man eben zum Reichardts Hans. Der genoss einen guten Ruf. Nicht selten sparten sich Kranke den Weg zum Arzt und steuerten gleich in den Falkengarten.

Johann Reichardt als junger Mann. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Dutzende Goldbarren im Tresor

Mit seiner Heilkunst muss Johann Reichardt ein Vermögen verdient haben. „In seinem Tresor fanden sich dutzende Goldbarren. Sie gingen nach seinem Tod in den 1970er Jahren an die hiesige Hospitalstiftung“, erzählt Stadtarchivar Mühlhäußer. Äußerlich habe man ihm den Reichtum nicht angesehen, berichten Augenzeugen. Er sei immer in der schwarzen Kutte unterwegs gewesen, die Einrichtung im alten Jagdschloss sei alt und abgewohnt gewesen. Doch dafür umso kurioser und geheimnisvoller. Seine Bibliothek muss beeindruckend gewesen sein. Wuchtige, alte Bücher in dicken Ledereinbänden. Zauberbücher waren es für die Einheimischen, für Reichardt ein wichtiges Marketinginstrument. Noch wertvoller soll aber der Zauberspiegel gewesen sein. Natürlich konnte nur Reichardt im Spiegel die Geschehnisse an anderen Orten verfolgen.

Auch diese Geschichte wird vom Sonderling aus dem Falkengarten erzählt: Einmal gab Johann Reichardt beim Buchbinder ein altes Zauberbuch zur Reparatur ab. Den Buchbinder warnte er eindringlich davor, im Buch zu lesen. Neugierig geworden durch diese Warnung, wagte es der Handwerker dann doch, im geheimnisvollen Buch zu blättern. Sofort traf ihn der Bann: Er konnte sich nicht mehr bewegen! Reichardt wurde zur Hilfe gerufen. Der murmelte einen Zauberspruch und schon war der Bann gebrochen.

Reichardt umgab sich mit allerlei Mystik und Exotik – und mit wilden Tieren. Im Falkengarten betrieb er einen kleinen Privatzoo. Vor allem an die Affen erinnern sich Gunzenhäuser noch heute. Auch Raubtiere sollen gehalten worden sein.

Willi Stern (2.v.r) war Reichardts Gehilfe. Hier ist er in einer Aufnahme von 1957 mit einem Löwen aus Reichardts Privatzoo beim Stammtisch zu sehen. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Blei in Gold verwandelt?

Doch warum wird Johann Reichardt als „Goldmacher“ bezeichnet? In den alten Felsenkellern unterhalb des heutigen Krankenhauses betätigte sich Reichardt tief im Felsen, verborgen vor den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit, an den unterschiedlichsten Experimenten. Die Steinwände sind mit geheimnisvollen Zeichen bemalt. Werner Mühlhäußer bestätigt: „In diesen tiefen, dunklen Gängen herrscht schon eine ganz besondere Atmosphäre. Die Mystik um Reichardt ist hier greifbar.“

Einst soll in Gunzenhausen in einem alten Mauerholraum ein besonderes Päckchen mit rätselhaften Ampullen und fremdartigen Schriften gefunden worden sein. Sofort wurde der Fund zu Reichardt gebracht. Er erkannte darin einen Schatz: eine Formel und die dazugehörige Substanz zur Herstellung von Gold. Augenzeugen sollen bestätigt haben, dass es Reichardt tatsächlich gelungen sei, Blei in Gold zu verwandeln. Auch da zeigte der Marketingstratege wieder sein Können. Er ließ den Spekulationen um diese Transformation freien Lauf. Die beste Werbung!

Reichardts Marketing

Johann Reichardt war ein Meister des Marketings. Unter anderem legte er 1935 diese Broschüre auf und warb damit für seine Künste und das von ihm hergestellte Elixier „Drachenblut“. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Der Meister der Selbstinszenierung

50 Jahre nach seinem Tod ranken noch immer viele Gerüchte um Johann Reichardt. Mag es auch Menschen gegeben haben, die ihn belächelten und ihn als Scharlatan bezeichneten. Reichardt hätte sein Leben in Gunzenhausen nie in dieser Form führen können, wenn ihm nicht auch der nötige Respekt gezollt worden wäre und wenn seine Verbindungen nicht auch in die „bessere Gesellschaft“ gereicht hätten. In der heutigen Zeit wäre dieser Mann viel geklickt im Netz, er wäre wohl Influencer, hätte seinen eigenen Channel und wäre sicher auch in der ein oder anderen Talkshow vertreten. Vielleicht würde er durch das Land touren, Vorträge halten oder ganze Shows präsentieren. Johann Reichardt war eine besondere Persönlichkeit. Nachfahren hat er nicht. In Gunzenhausen bleibt er unvergessen.

Das Team der Tourist Information Gunzenhausen ist im Rahmen der verschiedener Stadtführungen auf den Spuren von Johann Reichardt unterwegs.

Nähre Infos:  Tourist Information Stadt Gunzenhausen 

 

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