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Fränkisches Seenland von oben – historische Luftbilder von Gunzenhausen

„Das muss damals so gewesen sein, als würde heute ein Raumschiff über uns fliegen“, erzählt Werner Mühlhäußer begeistert.  Der Gunzenhäuser Stadtarchivar bekommt glänzende Augen, wenn er sich die ältesten Fotos seiner Ausstellung in der Stadtbibliothek Gunzenhausen betrachtet. Ein Zeppelin ist über der Altmühlstadt zu sehen. Der ganze Ort kam 1909 bei der ersten Überfahrt der schwebenden Zigarre zusammen. Das Monstrum war rund 130 Meter lang – eine gigantische Erscheinung. Kaum zu glauben war es damals für die Bevölkerung, dass diese Konstruktion sich in der Luft halten konnte. Es war eine Sensation und der Anfang der Luftbildfotografie. Erstmals wurde Gunzenhausen aus der Vogelperspektive abgebildet. Höchste Zeit wurde es für eine Ausstellung.

Beinahe wäre die erste Überfahrt des Luftschiffes schief gegangen. Zwischen Gnotzheim und Spielberg musste das Gefährt notlanden, berichtet Mühlhäußer: „Das Wasser war ausgegangen. Der Zeppelin musste wieder betankt werden. Zum Glück fand damals ein Manöver des Bayerischen Heeres in der Gegend statt. So standen viele helfende Soldaten-Hände zur Verfügung.“ Auch die Gunzenhäuser Händler zeigten sich damals sehr geschäftstüchtig. Schnell waren im Sortiment scherzhafte Postkarten mit Zeppelin-Abbildungen zu finden aber auch Zeppelin-Drachen und Zeppelin-Taschentücher. Zeitungsinserate belegen die Kreativität der Gunzenhäuser Geschäftswelt.

Rund 125 Luftaufnahmen dokumentieren die rasante Entwicklung Gunzenhausens von einer kleinen, gemütlichen, ländlichen Stadt in den 1920er Jahren hin zum quirligen Wirtschafts- und Tourismuszentrum im Fränkischen Seenland. Was noch vor 90 Jahren Stadtrand oder vor der Stadt gelegen war, findet sich heute mittendrin. Eine Art „Altmühlsee“ war damals schon da – allerdings als lästige Überschwemmung.  Gemütlich sah es noch vor dem Zweiten Weltkrieg in Gunzenhausen aus. Wahrscheinlich ging es auch genauso zu. Ein Landstädtchen, wo Hektik und Stress nur selten Thema waren – aber durchaus harte Arbeit in den Handwerksbetrieben oder auf den Feldern im Umland zu erledigen war.

Eine Aufnahme des Eidamsplatz von 1968. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Spannendes Suchspiel für die ganze Familie

Die Ausstellung ist ein spannendes Suchspiel für die ganze Familie. Manch eine vielleicht in Vergessenheit geratene Örtlichkeit ist auf den Fotos zu entdecken. Wer von den Neu-Gunzenhäusern weiß, dass die Schwestern der Hensoltshöhe ihr eigenes Freibad hatten? Zu entdecken ist aber auch, dass die Begrünung von einigen Straßen damals weitaus natürlicher war als heute. Die Orientierung auf den alten Fotos fällt nicht immer leicht. Zwar gibt es noch immer gute Anhaltspunkte wie die Stadtkirche, doch gerade im Altstadtbereich zeigt sich dann doch, dass die Stadtplaner in vergangenen Jahrzehnten im verführerischen Sog des Aufschwungs nicht immer sehr sensibel mit dem städtischen Erbe umzugehen wussten.

Von der mittelalterlichen Bebauung ist nicht mehr viel übrig. Da blutet auch Historiker Mühlhäußer das Herz. Hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt? Historiker Mühlhäußer ist skeptisch: „Es gibt ja immer noch Überlegungen, historische Bausubstanz zu beseitigen und durch Neubauten zu ersetzen. Ob das immer so gelingt, ist Geschmackssache.“ Der nächste große Eingriff in das Stadtbild steht demnächst mit dem Abbruch des markanten Haus Silo an. Dieser Bau geht immerhin bis in die Markgrafenzeit zurück. Das hat ihm das Überleben nicht gesichert. Die Abrissbirne wird ein Ende setzen. Das neue Bayerische Schulamt soll in einem modernen Bau an dieser Stelle einziehen.

Rasante Stadtentwicklung wird dokumentiert

Während Gunzenhausen vor rund 100 Jahren gerade mal 3500 Einwohner zählte, sind es heute fast 17.000. Große Firmen förderten den Zuzug, Wohnraum musste her. Auch das dokumentiert die Ausstellung sehr anschaulich. Wie Pilze schossen nach dem Krieg in der Wirtschaftswunderzeit die Eigenheime rund um den alten Stadtkern und in den Ortsteilen aus dem Boden. Flächenverbrauch, Versiegelung, Waldrodung – alles Themen, die damals nicht zur Diskussion standen. Werner Mühlhäußer ist in Zusammenarbeit mit Babett Guthmann, Ulrike Engelhardt und Ulrike Zatschker eine spannende Ausstellung gelungen, die nicht nur für Einheimische interessant ist. Sie ist ein beeindruckendes Zeugnis der Dorf- und Stadtentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland – und das am Beispiel Gunzenhausen.

Das Luftbild stammt aus dem Jahr 1956. Die Weißenburger Straße und die ersten Häuser der Schmalespanstraße sind zu sehen. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

Weitere historische Aufnahmen gesucht

Werner Mühlhäuser sucht weitere Luftaufnahmen von Gunzenhausen und den Ortsteilen. Im kommenden Jahr soll der Ausstellung eine Broschüre folgen. Wer historische Fotos zu Hause hat, kann sich gern beim Stadtarchivar unter 09831/508135 melden.

Die Altmühl floss einst noch ganz nah an den Marktplatz-Gebäuden vorbei. In der Bildmitte ist die Brauerei Müller. Das Luftbild stammt aus dem Jahr 1968. Foto: Stadtarchiv Gunzenhausen

 


Infos zur Ausstellung:

  • Dauer: bis 21. Januar 2022
  • in der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen,  Luitpoldstraße 13
  • Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag und Freitag 11-18 Uhr, Mittwoch 11 bis 20 Uhr, Samstag 10 bis 13 Uhr.

www.buecherei.gunzenhausen.de


 

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