Wenn Michael Jacques Lieb von der Wülzburg aus hinein in das Fränkische Seenland schaut, ruht er in sich. Unter ihm liegt seine zweite Heimat. Hoch über den Dächern von Weißenburg stand er schon mit seinen Großeltern und Eltern. „Diese enorme Weite hat mich schon immer fasziniert!“ „Kein Wunder“, sage ich, „für dich als Freigeist, ist das hier der ideale Ort!“ Er nickt!
Michael ist Schauspieler. Kennengerlernt haben wir uns vor rund zehn Jahren auf einer Messe in Weißenburg, wo er für mehrere Auftritte als „Michael Mc Love“ gebucht war. Ein liebevoller Schotte mit viel Humor. Seitdem besteht unsere Freundschaft. Michael lebt inzwischen auf halber Strecke zwischen München und Rosenheim. Sein Herz schlägt aber weiter für Weißenburg.
Dass er in die alte Römerstadt kommen sollte, war ein großer Zufall. Seine Großeltern fanden nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Heimat in Weißenburg. Erste Station: Pfarrgasse. Später zogen sie in die neuen Hochhäuser an der Ludwigshöhe. Michael wurde allerdings in einer anderen Römerstadt geboren. Er kam 1956 in Trier zu Welt – als Sohn einer Tänzerin und eines Schauspielers. Erinnerungen: „In Weißenburg waren wir immer gern. Ich habe hier meine Ferien verbracht, in den Straßen der Altstadt gespielt, bin auf die Wülzburg gewandert und hatte hier immer eine schöne Zeit!“.
Doch wie wird man als Wahl-Weißenburger Schauspieler? Erstmal gar nicht! „Wäre es nach meinem Vater gegangen, hätte ich alles werden können – nur nicht Schauspieler“, erzählt Michael. Sein Vater kannte die Faszination des Berufs sehr gut, seine Mutter auch. Doch sie wussten auch von der anderen Seite: Unsicherheit, wechselnde Wohnorte, oftmals mäßige Bezahlung, kaum Freizeit! Der Applaus und der Erfolg beim Publikum konnten das nur schwer aufwiegen. Schließlich war ein Kind zu ernähren.
Giganten der Bühne: Zarah Leander und Ingmar Bergmann
Michael nahm sich die Warnungen seiner Eltern zu Herzen und lernte ein bodenständiges Handwerk. In München fing er eine Kürschner-Lehre an und schloss erfolgreich ab. „Das war ein nobles Geschäft. Zarah Leander hat sich dort eingekleidet“, bei Michael leuchten heute noch die Augen. Für beste Laune bei der harten Arbeit sorgte Michael mit nachgespielten Filmszenen. Für die Kollegen war schnell klar: Michael gehört auf die Bühne.
1981 startete er seine zweite Ausbildung, diesmal an einer Münchener Schauspielschule. Gleich nach der bestandenen Abschlussprüfung sollte er mit einem der berühmtesten Regisseure zusammenarbeiten: Ingmar Bergmann. „Es war nur eine kleine Rolle in DON JUAN, aber in einer Bergmann-Inszenierung am Residenztheater in München und bei den Festspielen in Salzburg als junger Schauspieler auf der Bühne zu stehen, war der Wahnsinn“, blickt Michael zurück. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht sagt er: „Danach ging ich ins Ensemble des Landestheaters Coburg – als jugendlicher Charakterdarsteller. Bei den weiblichen Zuschauern hatte ich viele Fans“. Auch auf Tournee spielte er, unter anderem im Bergwaldtheater im „Weißen Rössl“.
Das Multitalent gründet eigenes Theater
Proben, Spielen, kaum Freizeit – Michael merkte schnell, nicht für das Ensembletheater gemacht zu sein. Er kündigte und wagte die Selbstständigkeit. Ab sofort gab es Rollen auf Zuruf. Engagements unter anderem in Basel, Ravensburg und München folgten, sowie diverse Werbe- und Filmproduktionen. Er war als Klinikclown tätig, als Schauspielpatient in der medizinischen Ausbildung und sorgte als Cebulon-Clown für Heiterkeit bei den verschiedensten Anlässen. Die große Wende in seiner Laufbahn erlebte Michael 1997. Er gründete das „Theatro Liebido“.
„Als Schauspielschüler sah ich in München Rolf Günther. Er rezitierte „Faust 1“ und „Faust 2“ – allein, aus dem Gedächtnis. Das wollte ich auch können“, Michael holt tief Luft, „eine Schweine-Arbeit war das. Büffeln bis zum Umfallen!“ Ein Glücksfall. Der URFAUST feierte am 14. März 1997 in München Premiere. Michael Jacques Lieb – ein Schauspieler in allen Rollen. Faust, Mephisto, Gretchen, die Studenten beim Trinkgelage – kleiner Änderung der Körperhaltung, Stimme wechseln, genial! Der Erfolg gab Michael Recht.
Urfaust – Michael Jacques Lieb in allen Rollen
Sein besonderer URFAUST tourt seitdem durch Schulen, Kultureinrichtungen und Theater. Für Michael ist es immer wieder ein enormer Kraftakt. Sein Talent kann er dann besonders ausspielen, wenn er direkt mit dem Publikum interagieren kann. „Daraus schöpfe ich meine Kraft“, bestätigt er. 2013 folgte eine weitere Inszenierung: WOYZECK! Erneut gelingt ihm ein Publikumserfolg. Auch in Weißenburg gastierte er mehrmals mit beiden Stücken. Michael sagt: „Ich bin vor allem dann glücklich, wenn ich junge Leute für die alten Meister begeistern kann!“
Michael ist eines besonders wichtig: „Meine Frau Luise hat immer alles mitgetragen. Ohne sie wäre das alles nicht zu machen gewesen. Unserem fast 20- jährigen Sohn David war ich schon auch manchmal peinlich. Doch bei einem WOYZECK in Gunzenhausen hat er gesagt: „Papa, ich bin stolz auf Dich!“
„DANTONS TOD“ will Michael noch spielen. Den Text will er dann vielleicht in Weißenburg lernen, wo er noch immer die Wohnung seiner Großeltern auf der Ludwigshöhe hat. Ein Rückzugsort voll schöner Erinnerungen.
Michael und ich stehen auf und treten den Rückweg nach Weißenburg an. Er bleibt kurz stehen: „Ich liebe diese Stadt und das Fränkische Seenland. Wir sind schließlich gemeinsam groß geworden!“
Michael Jacques Lieb ist im Internet auf folgenden Seiten zu finden:
www.theatro-liebido.de
www.michael-lieb.de